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19.12.2019 in Methods

Agile Facilitation – der Methodenkoffer für die tägliche Arbeit mit Spaß


Axel Lütgering
Axel Lütgering

Market & Community


Ihr seid Scrum Master, Führungskraft oder als Mitarbeiter mitten in einem Transformationsprozess? Ihr wollt zum Beispiel Unsicherheiten in den Rollenverteilungen und Verantwortlichkeiten vermeiden? Dann ist diese Blogreihe für die kleinen Helferlein des Arbeitsalltags das Richtige!

Wir kennen das alle, “Agil” ist gefühlt zu einem reinen Buzzword verkommen, so dass sich mancher schon genervt abwendet. Aber muss das sein? Bietet nicht die agile Transformation so viele wünschenswerte Aspekte einer menschlichen und motivierenden Arbeitswelt? Lohnt es sich nicht, ein wenig Mühe zu investieren, um den Teil unseres Lebens, mit dem wir ein Großteil unserer Zeit verbringen, befriedigender und mit mehr Spaß zu gestalten?

Ein agiler Wandel ist auch immer mit einem geänderten Rollenverständnis der einzelnen Mitarbeiter und Führungskräfte verbunden. Dieses geänderte Rollenverständnis und die sich wandelnde Unternehmenskultur basiert auf Werten und Prinzipien, die zum Teil eine recht hohe Flughöhe haben.

Deren konkrete Anwendung erscheinen somit zuweilen schwierig und einige sehnen sich nach Regeln zurück. Regeln betrachten aber immer den Einzelfall, trivialisieren und sorgen zumeist nicht für eine intrinsische Motivation.

Prinzipien statt Regeln!

Zudem existiert auch oft der Trugschluss, das “Agil” auch zeitgleich “Einfach” bedeutet – Agil zu werden und zu bleiben ist Arbeit, kostet Energie und zeitweilig Nerven. Um so schöner ist es, dass in diesem Themenkomplex inzwischen eine ganze Reihe von kleinen Helferlein und Methoden entstanden sind, die das tägliche Arbeitsleben ein wenig erleichtern und der geänderten Unternehmenskultur Rechnung tragen. Diese unter dem etwas schwammigen Oberbegriff “Facilitation” kategorisierten Tools, möchte ich gerne in einigen Blogposts näher vorstellen, insbesondere die, die ich schon selbst mit Erfolg angewendet habe und die aus meiner subjektiven Sicht auch Kollegen helfen könnten. Im heutigen Post möchte ich zwei Methoden und Ansätze näher beleuchten, die den teilweise unklaren Rollen von agiler Führungskraft und Teammitglied etwas mehr Transparenz verschaffen könnten: Delegation Poker von Jurgen Appelo, dem Erfinder von Management 3.0 und dem Role Model Canvas von Christian Botta, Projektmanagement-Experte und Facilitator – zwei Ansätze, die Hand in Hand gehen können.

Delegation Poker

Jurgen Appelo hat ein Händchen für einfache, effektive Methoden, die Spaß machen, leicht anwendbar sind und dennoch (oder gerade deshalb) sehr gute Ergebnisse liefern. Eines davon ist das Tool Delegation Poker – ein klein wenig angelehnt an das allseits bekannte Planning Poker. Spielerisch können unterschiedliche Sichtweisen oder potenzielle bzw. aktuelle Konfliktthemen aufgedeckt und näher behandelt werden. Obendrein fördert diese Methode die Transparenz und unterstützt die Werte Verantwortung und Selbstorganisation. Vor allem werden für alle Kollegen die Handlungsspielräume und Freiheitsgrade des eigenen Arbeitsumfeldes offenbar. Die Methode kann mit dem gesamten Team angewendet oder aber auch zwischen einzelnen Mitarbeitern und Führungskräften gespielt werden. Ein zentraler Punkt in der Anwendung ist, dass immer aus der Perspektive des Entscheidungsgebers (also in der Regel der Führungskraft) gespielt wird, wobei zwischen den Ausprägungen “Ich entscheide”, “Du entscheidest” und eine Reihe von Abstufungen existieren, die aber sehr wohl menschliche Implikationen haben.

Delegation Poker – Perspektive des Entscheidungsgebers

  1. Verkünden: Ich entscheide, danach informiere ich dich darüber.
  2. Verkaufen: Ich entscheide, und überzeuge dich im Nachgang.
  3. Befragen: Ich entscheide, aber zuvor bitte ich dich um Rat und beziehe diesen in meine Entscheidung ein.
  4. Vereinbaren: Wir entscheiden gemeinsam, nachdem wir diskutiert und einen Konsens gefunden haben.
  5. Beraten: Du entscheidest, aber ich biete dir meinen Rat an.
  6. Erkundigen: Du entscheidest und ich erkundige mich im Nachgang, wie du dich entschieden hast.
  7. Delegieren: Du entscheidest und ich muss die Entscheidung nicht erfahren.

Spielweise

Wie spielt man Delegation Poker nun konkret? Zunächst liest ein Teilnehmer des Delegation Pokers ein Beispielszenario vor und jeder Teilnehmer zieht verdeckt (!) eine Karte. Die höchste und niedrigste Ausprägung der Delegationsstufe werden im Anschluss erläutert und diskutiert. Günstig ist es, zunächst eine Reihe von unverfänglichen Stories zu spielen, bis man zu potenziellen Konfliktfällen kommt. So ist jeder mit der Methode vertraut und es stellt sich eine gewisse Sicherheit bei der Nutzung ein.

Eine mögliche Beispielstory könnte lauten:

Sie haben mehrere Teams in Ihrer Business Unit. Aus den Teams wird der Wunsch geäußert, den Teamleiter aus den eigenen Reihen selbst zu wählen. Wie weit würden Sie diese Entscheidung delegieren?

Delegation Poker

Delegation Board

Aus den verschiedenen Ergebnissen der durchgespielten Szenarien lässt sich im Anschluss ein ganzes Delegation Board erstellen, das für verschiedene Fragestellungen ein tolles Hilfsmittel darstellt, um neue Einzelfälle einzuordnen und nicht wieder neu diskutieren zu müssen. Sinnvoll ist es, dieses Delegation Board für alle sichtbar aufzuhängen. Zur Nutzung als tägliches Kategorisierungstool ist es auch eine ständige Erinnerung, bei Zweifelsfällen wieder auf das Delegation Poker zurückzukommen.

Die Karten zum Delegation Poker sind in vielen Sprachen erhältlich und stehen auch frei zum Download zur Verfügung. Wenn man aber keinen Drucker für Papier mit einer höheren Grammatur zur Verfügung hat, ist es sinnvoll, die kommerziell erhältlichen Kartendecks zu erwerben, da sie im häufigen Umgang einfach praktikabler und dauerhafter sind. Weitere Informationen zu Delegation Poker finden sich hier.

Role Model Canvas

Oft ergeben sich Ziel- und Rollenkonflikte aus dem unklaren Verständnis der eigenen Rolle, sowohl bei Kollegen, Stakeholdern und Führungskräften, als auch persönlich. Eine tolle Methode, die der eigenen Rollenklärung dienen kann, ist das Arbeiten mit dem Role Model Canvas, das entweder durch Jeden für sich oder auch zur Diskussion im Team durchgeführt werden kann.

Licht in die Graubereiche von Zuständigkeiten bringen

Im agilen Businessumfeld existieren inzwischen eine ganze Reihe von Canvases, die bestimmte Aufgaben und Fragestellungen strukturieren sollen und eine echte Hilfe darstellen. Ich habe schon sehr gute Erfahrungen mit dem Role Model Canvas gemacht, weil er ein oft schon diffus vorhandenes Bild in eine anschauliche Form bringt und intuitiv mit Hilfe von Visualisierungen zu nutzen ist. Hier liegt meines Erachtens auch der entscheidende Vorteil im Vergleich mit der verwandten und verbreiteten RACI-Matrix, die oft genug bei hinreichend komplexen Projekten in eine Excelschlacht mündet. Ich würde empfehlen, den Canvas – entgegen der Empfehlung von Christian Botta – nicht in Gruppenarbeit auszufüllen. Jeder Betroffene soll und muss sich selbst mit seiner Rolle auseinandersetzen und vermeidet so faule Kompromisse. Nichts spricht allerdings dagegen, die erstellten Ergebnisse im Team zu diskutieren und gegebenenfalls in Gruppenarbeit anzupassen.

Role Model Canvas 2.0

Durchführung

Vorausschicken möchte ich, dass der Role Model Canvas kein Formular und auch nicht in Stein gemeißelt ist. Wenn Ihr gute und sinnvolle Möglichkeiten habt, den Role Model Canvas an Eure Belange anzupassen – nur zu! Am Ende ist es nur ein Werkzeug, das einen leichten und visuellen Einstieg in das Thema ermöglicht.

Aber wie geht man jetzt vor und in welcher Reihenfolge geht man das Thema an? Aus meiner Sicht geht man am besten so vor:

  1. Man beginnt am besten mit den primären Aufgaben, da diese als Einstieg am leichtesten zu bearbeiten sind und zum Teil auf der Hand liegen. Dabei ist natürlich auf die Flughöhe zu achten, kleinteilige Tasks (z.B. Teilnahme Daily etc.) haben hier nichts zu suchen.
  2. Anschließend bearbeitet man das Feld Ziele & Mission, um den übergeordneten Kontext der Aufgaben festzulegen und transparent zu machen. An dieser Stelle ist es oft hilfreich, die primären Aufgaben daran noch einmal abzugleichen und auch auf Vollständigkeit zu prüfen.
  3. Daraufhin wendet man sich dem Feld Verantwortet und Entscheidet zu und bearbeitet dieses – gerne auch mit den Ergebnissen möglicherweise vorausgegangener Delegation Poker-Runden (siehe oben).
  4. Im Bereich Help wird aufgetragen, von wem man Unterstützung erwarten kann und wen man selbst unterstützen sollte.
  5. Im Rechteck Informationstransfer trägt man die wichtigsten Kanäle der bi- oder multilateralen rollenspezifischen Kommunikation ein.
  6. Kommen wir jetzt zu dem in meinen Augen wichtigsten Feld: Nein! Was mache ich ausdrücklich nicht? Hier bietet sich eine mächtige Möglichkeit der Rollenabgrenzung und vermeidet nach Abstimmung mit allen Beteiligten eine Reihe von zum Teil zermürbenden Kleinkonflikten.
  7. Das Jokerfeld sind die Offenen Punkte. Hier werden Hinweise aber auch Themen aufgenommen, die noch nicht geklärt oder unklar sind. Alle Felder zusammen ergeben in den meisten Fällen schon einen recht genauen Überblick über die Rolle.

Mit dem erarbeiteten Canvas kann man nun in die Diskussion gehen: Mit dem Team oder mit der Führungskraft. Mehr Informationen zum Thema Role Model Canvas finden sich hier.

Ich hoffe, beide vorgestellten Methoden können für Euch hilfreich sein. Am besten selbst einmal testen, Erfahrungen sammeln und: Inspect and Adapt!

One more thing

Einen hab ich noch: Während ich diesen Post verfasse, nutze ich Noisli, ein weitaus geeigneteres Tool, um die Konzentration im oft lauten Büroumfeld zu fördern als beispielsweise einen Musikstreamingdienst zu bemühen. Individuell festlegbare Ambiente-Geräusche sorgen im Zusammenhang mit einem Noisecancelling-Headphone für eine hohe Fokussierung – zumindest bei mir. Obendrein kann man sich seine spezifische Zusammenstellung auch abspeichern. Mehr Informationen zu Noisli finden sich hier.